Die seltsame Sprache des Armin “Brückenlockdown” Laschet

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Laschet steht unter Druck, seine Kandidatur wackelt. Die Ursachen für diese Lage sind jedoch nicht nur politischer Natur - der Landesvater kann schlicht nicht kommunizieren. Seine Beiträge prägen schiefe Sprachbilder und leere Gesten - wie der berüchtigte “Brückenlockdown”.

Brücken sind schön. Sie verbinden die Ufer, sie lupfen uns über Autobahnen und Kanäle, man kann zur Not drunter schlafen oder sie fotografieren, ob in Düsseldorf oder Istanbul. Daran dachte Armin Laschet womöglich, als er über Ostern schnell einen sprachlichen Schnitzer auswetzen musste, nämlich das Gerede vom “nachdenken” über die Feiertage. In einem Moment, in dem die Republik händeringend nach Führung suchte, war das die falsche Vokabel gewesen. Und so kam es zum Brückenlockdown

Der Begriff war eine politische Glasperle, etwas, das Laschet der Öffentlichkeit hinwarf, in der Hoffnung, die Öffentlichkeit würde sich staunend murmelnd drüberbeugen und ihr Gold hergeben, also Zuspruch. Aber welche Brücke? Wohin? Eine “Brücke zu den Geimpften”, sagte Laschet daraufhin. Nicht so gut, wenn man ein Sprachbild im nächsten Nachrichtenzyklus erklären muss. 

Wadenkrampf auf den ersten Metern eines Marathonlaufs

Laschets kommunikative Defizite bremsen die Kampagne der CDU schon jetzt - es ist ein nicht enden wollender Wadenkrampf auf den ersten Metern eines Marathonlaufs. “Ich bin vielleicht nicht der Mann der perfekten Inszenierung”, sagte Laschet kürzlich und wollte sich damit wohl als schnörkelloser Macher, nun, inszenieren. Das ist eine Täuschung. Laschet ist durchaus ein Mann vieler Inszenierungen - sie misslingen ihm nur immer und immer wieder.

Da ist die noch recht wohlwollend rezipierte, aber handwerklich ziemlich lahme Antrittsrede auf dem CDU-Parteitag im Januar. Laschet hielt damals die Marke seines Vaters, eines Bergmanns, in die Kamera und wollte damit wohl einen dramatischen Effekt erzielen. “Diese Marke trägt mein Vater bis heute an seinem Schlüsselbund. Weil es ihn an das Vertrauen erinnert, was er unter Tage gelernt hat”, sagte Laschet. “Das ist was uns trägt und was in Amerika zerbrochen ist.”

Beim “Kölner Stadtanzeiger” konnte Laschet damit punkten. Eine “starke Botschaft vom Vater” sei das, jubelte das Blatt schon in der Überschrift. E Jeföhl! Aber, kleine Frage: Was denn eigentlich für eine Botschaft? Die Marke bedeutet Laschet sehr viel, keine Frage. Aber was bedeutet sie seinen potentiellen Wählern? Was will Laschet sagen?

Nicht so stark wie ein Glas voll Kot

Gegenstände können in Reden Wunder bewirken. Der damals reichste Mann der Welt, Bill Gates, hat mal eine Rede neben einem Glas voll Fäkalien gehalten. Die simple Botschaft: “Schaut mal, wie ekelig und gefährlich.” Daran knüpfte er eine Rede über wasserlose Toiletten für arme Länder an.

MICROSOFT founder Bill Gates has posed alongside a jar of human poo to showcase his re-invented toilet tech.The billionaire tech mogul's potty stunt took pla...

Colin Powell zog die Vereinigten Staaten und andere Nationen in den Irakkrieg, indem er im UN-Sicherheitsrat eine kleine Phiole mit weißem Pulver als “Anthrax” hochhob. Seine Botschaft: “So wenig ist wahnsinnig gefährlich und Saddam Hussein hat das Zeug!” Selbst die irre Rede von Clint Eastwood an den leeren Stuhl transportierte zumindest die diffuse Botschaft: “Da sitzt in Wirklichkeit keiner.” Björn Höcke hat in einer Talkshow eine Deutschlandflagge (falschrum) drapiert, seine Botschaft: “Guten Abend, ich bin Nationalist.” 

RNC 2012: Mystery speaker Eastwood stages a mock conversation with President Obama. For more: http://abcn.ws/OB07tV

Aber was sagt Laschets Bergmannsmarke? Vertrauen? Wer vertraut wem, wir einander? Laschet erklärt es nicht. Ist das eine Feststellung oder eine Forderung? Es bleibt bis zum Schluss unklar. Und, noch ein klitzekleines Problem: Waren die Erkennungsmarken der Bergleute überhaupt ein Vertrauensbeweis? Die Bergleute holten sich die kleinen Messingschildchen zum Schichtbeginn bei der Markenkontrolle ab und hängten sie in die Spalte “Übertage” oder “Untertage”. Es war also zumindest auch ein Kontrollinstrument, eher noch als ein Symbol des Vertrauens.

Fahrmarke der Grube Lüderich. (Quelle: Wikipedia, Copyright GFDL)

Fahrmarke der Grube Lüderich. (Quelle: Wikipedia, Copyright GFDL)

Will Laschet sagen, es sei in Deutschland grad so gefährlich, dass jeder bitte eine Marke bekommt, damit man merkt, wenn da einer tot im Schacht liegt? Am Schluss geht Laschet neben das Pult, lehnt sich betont lässig mit übereinandergeschlagenen Beinen daran an, als wäre es ein Biertresen. Schon das ist eine zweifelhafte Pose, nicht nur in angespannter Zeit. Er holt dann die Marke noch einmal hervor. “Sag den Leuten, sie können Dir vertrauen”, hätte sein Vater ihm mitgegeben. Laschet sagt den Leuten (den Delegierten) dann, sie würden entscheiden, wem sie vertrauen - und dann macht er eine sehr seltsame, gestelzt und aggressiv wirkende Fingerpistole ins Publikum.

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Was auch immer die Botschaft von Laschets Marke sein sollte - klar wie eine Messerspitze tödlichen Gifts oder ein Glas Kackwasser ist sie nicht. “Klartext sprechen” müsse man, sagte Laschet in seiner Rede. Er sagte nur nicht, wann es damit losgehen sollte.

Auch Laschets Rede zum Wahlkampfauftakt der CDU hatte die Gradlinigkeit und Substanz einer überkochten Fusili-Nudel. Das beginnt beim Setting: Es gibt einen Grund, warum viele Reden inzwischen ohne Pult gehalten werden. Teleprompter machen es möglich. Manche Politiker haben sich schon daran gewöhnt frei stehend zu sprechen. Rednerpulte schaffen eine Barriere, sie lassen den Redner weniger nahbar wirken.

Die Kamera hilft dem Kandidaten auch nicht. Sie könnte nun Laschet von verschiedenen Winkeln aufnehmen. Die CDU nutzte das, um Laschet mutterseelenallein und winzig in einem gewaltigen leeren Raum abzubilden. Als wenn der von Merkel gerade fernsehöffentlich abgewatschte Kandidat nicht schon verloren und einsam genüg wirkte.

Bild: CDU

Bild: CDU

Zum Auftakt ein Grammatikrodeo

Laschet begann, nach einer Phrase über das Morgen und Heute, mit einem Grammatikrodeo:

“Die Pandemie lastet auf unserer Seele und mit der Pandemie, die uns bei ihrer Bekämpfung bisher nur bedingt gelingen wollen.”

Ich vermisse hier womöglich ein Verb und einen gehäuften Esslöffel Empathie: Wer würde die derzeitige Situation schon als “bedingt gelungen” bezeichnen?

“Wir alle hätten uns schnelleres Impfen und mehr Impfstoff gemünscht.”

Gemünscht, ja. Hören Sie sich das ruhig an, ich warte so lange:

Dein Deutschland. Deine Ideen. Unter diesem Motto hat die CDU ihre Beteiligungskampagne zum Regierungsprogramm zur Bundestagswahl 2021 gestartet.Der Startsch...

Laschet lehnt derweil ständig auf dem Pult. Das ist eine oldschool-Geste. Gerhard Schröder beherrschte das lässige Einarm-Lehnen, aber grundsätzlich gilt: Jemand, der sich abstützt, ist selbst eher keine Stütze. Laschets Körpersprache ist ein Dauerthema: Seine Biografie zeigt ihn mit verschränkten Armen, etwas süffisant herabblickend auf den Fotografen.

Das sind alles Kleinigkeiten, die man lernen und korrigieren kann, man muss dazu auch keinem polierten Retortenpolitstil das Wort reden - aber etwas Vorbereitung erwarte ich eigentlich von jemandem, der mächtigste Führungsperson im Staat werden möchte.

Es folgt, immerhin, eine Wiederholung (Anapher) des allerdings schwachen, weil ordentlich abgenutzten Wortes “nachhaltig”:

“Wir wollen und können sprudelnder Quell für eine nachhaltige Umweltpolitik, für eine nachhaltige Wirtschaftspolitik, für eine nachhaltige Sozialpolitik und für eine nachhaltige Digitalpolitik sein.”


Solche Wortwiederholungen können ganz schön ballern, wie das Beispiel der Biden-Rede zeigt - aber ganz ohne Inhalt geht es nicht. Was, zum Beispiel, ist eine nachhaltige Digitalpolitik? Nachhaltigkeit und Digitalpolitik sind hochabstrakte, blutleere Politwörter. Damit kann man doch keine Zuhörer in den Bann schlagen! 

Die CDU, eine sprudelnde Ideenschmiede

Und die CDU als “sprudelnder Quell” für all diese Dinge? Die Wortwahl ist wenig nahbar und vor allem inkonsistent. Auf dem Parteitag hatte Laschet noch von “Ideenschmiede” gesprochen. Wenig später spricht Laschet dann von “sprudelnden” Staatsfinanzen. Wer schreibt zweimal dicht hintereinander “sprudelnd” in eine Rede, die nicht von Mineralwasser handelt? 

Neben diesen lauen Effekten war Laschets Rede durchtränkt von allerlei abgehangenem Politgefloskel. “Wir wollen und müssen”, “wir wollen und können”, Deutschland “kann und soll”. Es sind leiernde, bleierne Wendungen. Es sollte der rhetorische Auftakt für den Wahlkampf sein. Es klingt wie Loriot.

Laschets Satzaufbau ist teilweise verdreht wie ein gut geölter Schlangenmensch. Das sieht apart aus, aber wer gerade seine Arme zwische den Beinen verknotet, kann nichts mehr transportieren, schon gar keine Inhalte. Das zeigt etwa dieser Abschnitt:

“Vertrauen ist die wichtigste Währung, auch bei der Modernisierung. Modernisierung ist kein technischer Vorgang. Die Menschen, die mitgehen müssen bei der Modernisierung, müssen denen die die Modernisierung anstoßen, vertrauen, dass es in die echte Richtung geht.”

Laschet stolpert hier, sagt erst “rechte Richtung” statt “echte”, aber wer kann es ihm bei diesem Biest von einem Absatz verübeln? Was will Laschet hier eigentlich sagen? Irgendwas mit Modernisierung, soviel ist mal sicher.

“Deutschland und Europa als Apotheke der Welt” ist die beste, nämlich eine prägnante und konkrete, plastische Formulierung. Leider ist sie nicht von ihm - der Ausdruck stammt aus den siebziger Jahren.

Man hetzt von Satzungetüm zu Satzungetüm

Nicht nur der Text ist Mittelmaß, auch die Performance ist nicht die eines politischen Schwergewichts: Die Stimmlage ist stets flehentlich (besonders zeigte sich das in Laschets desaströsen Talkshow-Auftritten).

Gravitas, irgendwie bedeutsame Betonungen, Variationen im Tempo oder Ähnliches, all das sucht man vergeblich. Es gibt so gut wie keine Temperaturschwankungen in der Rede. Es wird nie ruhig, ausgeruht, obwohl etwa Laschets Ausführungen zum Aushalten anderer Meinungen und für mehr Toleranz eigentlich dazu einladen. Danach hätte er aufwallen können, das Tempo steigern, aufrütteln. Doch es gibt keine Höhepunkte und keine Ruhe für das Publikum. Man hetzt von Satzungetüm zu Satzungetüm, bis es nach 25 Minuten vorbei ist. 

Und vorbei ist nun womöglich die ganze Kandidatur. Selbst in Deutschland, wo die Kunst der Rede und des Schreibens noch immer als bessere Sekretariatsarbeiten im Hintergrund verstanden werden, ist dieser Auftritt zu wenig. Söder zeigt dem CDU-Kandidaten beinahe täglich, wie man führt und kommuniziert - und dabei verfügt er weder über wesentlich bessere Inhalte und im eigenen Bundesland (Freistaat!) erfolgreich ist er auch nicht. 

Laschets Kandidatur ist Symptom einer übersatten Partei und eines parteiengeprägten Politsystems. Würde Deutschlands Politik weniger auf indirekter Demokratie, große Volksparteien mit ihren Delegierten und ihre Binnenmachtarchitekturen angewiesen sein, wäre Laschet wohl kaum zu einem Kandidaten geworden. 

Dabei ist Laschets Kandidatur auch die Folge einer schlechten Rede. Hätte der eigentlich große Redner Friedrich Merz bei seiner Kandidatur für den CDU-Vorsitz nicht so einen schwachen Moment gehabt, wäre er wohl auch Kanzlerkandidat geworden und nicht die gleichfalls kommunikationsschwache Annegret Kramp-Karrenbauer. Laschet wäre so sicher nicht zum Zug gekommen.

Wer jetzt noch denkt, Redekunst und Kommunikation seien lediglich Girlanden der Politik, hat nichts verstanden. (Und dass Laschet auch politisch irrlichtert hat gerade Sascha Lobo schön aufgeschrieben.)

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Warum Bidens Rede im Kongress so griffig ist

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