Texte schreiben für Videos: 9 Tipps

Ob für den Teleprompter oder für eine Rede - gesprochene Sprache muss man etwas anders schreiben als einen Essay oder eine E-Mail. Diese 9 Tipps machen Texte sprechbar und prägnant.

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Tipp 1: Kurze Sätze, nur gelegentlich längere

Sätze, deren Verb ganz am Ende stehen, sind sehr schwer zu lesen. Relativsätze unbedingt vermeiden, vor allem dann, wenn sie eigentlich einen neuen Inhalt vermitteln. Sätze sollten kurz sein, sich aber hin und wieder mit einem längeren abwechseln.

Statt:

“Das Unternehmen zog vor das Bundesverfassungsgericht, das zu dieser Sache bisher noch nichts entschieden hat.”

Besser:

“Das Unternehmen zog vor das Bundesverfassungsgericht. Die Karlsruher Richter haben dazu bisher noch nichts entschieden.”

Statt:

“Die Giraffenweibchen sind seit Donnerstag, worauf der Zoo seit Jahren hoffte, trächtig.”

Besser:

“Die Giraffenweibchen sind seit Donnerstag trächtig - worauf der Zoo seit Jahren hoffte.”

Tipp 2: Kurze Wörter, Komposita zerschlagen

Statt:

“IT-Sicherheitsdienstleister”

Besser:

“Dienstleister für IT-Sicherheit”

Statt:

“Nachhaltigkeitsvereinbarung”

Besser:

“Vereinbarung für mehr Nachhaltigkeit”

Tipp 3: Kurze Absätze

Insbesondere bei Prompter-Texten großzügig sein mit Zeilenwechseln und Absätzen!

Tipp 4: Abkürzungen meiden

Abkürzungen erschweren die Lesbarkeit und erschweren das Prompter-Timing.

Statt:

“bzw.”

Besser:

“oder”

Statt:

“z.B.”

Besser:

“zum Beispiel”

Statt immer wieder:

Die “DSGVO” …, laut DSGVO, … gibt die DSGVO vor...

Besser:

“Die so genannte Datenschutzgrundverordnung…, nach geltendem Recht… zwingt das Datenschutzrecht dazu….”

Tipp 5: Jargon, Behördendeutsch, Kanzleistil, Denglisch meiden

Statt:

“zeitigte”, “gar”, “sodann”, “alsbald”, “wenig aussagekräftig”, “Handlungsempfehlung”, “Ablichtung”

Besser:

“zeigte, “sogar”, “dann”, “bald”, “unklar”, “Tipp”, “Kopie”

Statt:

“Learnings”, “challengen” und “ist ein perfekter Fit”

Besser:

“Erkenntnisse”, “hinterfragen” und “passt perfekt”

Tipp 6: Lebendige Verben nach vorn

Möglichst keine Infinitive mit “zu”, wenig zusammengesetzte Verben und Einschübe, Passivkonstruktionen und Partizipien meiden. Verben so früh wie möglich unterbringen, möglichst nicht am Satzende.

Statt:

“Das Unternehmen machte das Zugeständnis, die Nachhaltigkeitsziele im nächsten Jahr - anders als noch in den vergangenen fünf Jahren geschehen war - um jeden Preis erfüllen zu wollen.”

Besser:

“Das Unternehmen will im nächsten Jahr um jeden Preis seine Nachhaltigkeitsziele erreichen. In den vergangenen fünf Jahren war dies nicht gelungen.”

Statt:

“Geschultes Personal ist für die Einhaltung komplexer Gesetzeslagen für ein Unternehmen einzustellen.”

Ein bisschen besser:

“Ein Unternehmen sollte geschultes Personal einstellen - für die Einhaltung komplexer Gesetzeslagen.”

Noch ein bisschen besser:

“Ein Unternehmen sollte geschultes Personal einstellen, um komplexe Gesetzeslagen einzuhalten.”

Am besten:

“Ein Unternehmen sollte geschultes Personal einstellen - nur so hält es komplexe Gesetzeslagen ein.”

Tipp 7: Substantivierungen und schwache Verben ersetzen

Vorsicht: Verben wie “erfolgen” oder “aufweisen” sind schwach und ein Indiz für Substantivstil.

Statt:

“Nach der Etablierung einer Cloud-Infrastruktur erfolgt meist eine kurze Eingewöhnungszeit, die Effizienznachteile aufweist.”

Besser:

“Ist die Cloud-Infrastruktur eingerichtet, müssen sich die Mitarbeiter meist über eine kurze Zeit eingewöhnen. Sie arbeiten in dieser Zeit weniger effizient.”

Tipp 8: Jeden Text einem Sprechertest unterziehen

Text laut (!) und langsam (!) vorlesen. Wenn das auf Anhieb nicht gelingt, umschreiben. Viele Zungenbrecher erkennt man nur beim lauten Vorlesen.

Statt:

“Externe IT-Experten”

besser:

“Externer IT-Fachleute”

Tipp 9: Pausen im Text markieren

Wieviele und welche Markierungen ein Redner braucht oder wünscht, hängt vom konkreten Sprecher ab. Es kann hilfreich sein, die wichtigen Worte hervorzuheben oder Pausen auszuschreiben. Das vor allem dann, wenn etwa Vorstände den Text aus der PR-Abteilung nicht kennen und recht spontan ablesen müssen. Im Idealfall ist der Text so gut geschrieben, dass sich Rhythmus und Pausen aus der Struktur ergeben.

Beispiel für Pausen:

“General Secretary Gorbachev, if you seek peace, if you seek prosperity for the Soviet Union and Eastern Europe, if you seek liberalization, (Pause) come here to this gate. (PAUSE) Mr. Gorbachev, open this gate. (Applaus) Mr. Gorbachev, (PAUSE) Mr. Gorbachev, tear down this wall!”

Beispiel für Pausen:

“And so even though we face the difficulties of today and tomorrow, I still have a dream. It is a dream deeply rooted in the American dream.

I have a dream (PAUSE) that one day (PAUSE) this nation will rise up (PAUSE) and live out the true meaning of its creed: ‘We hold these truths to be self-evident, that all men are created equal.’

I have a dream (PAUSE) that one day on the red hills of Georgia, the sons of former slaves and the sons of former slave owners (PAUSE) will be able to sit down together at the table of brotherhood.

I have a dream (PAUSE) that one day (PAUSE) even the state of Mississippi, a state sweltering with the heat of injustice, (PAUSE) sweltering with the heat of oppression, (PAUSE) will be transformed into an oasis of freedom and justice.”

Und die Pausenmacherei ist nicht auf Politiker beschränkt - Steve Jobs hat sie effektvoll in Präsentationen eingebaut. (Jobs war, was Sprache und Präsentation angeht, natürlich ein ganzes Thema für sich. aber die Pausen sind durchaus ein wichtiges Element seines Erfolgs als Sprecher.)

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